Die Sparziele des Bundesrats sind diffus: «Längerfristig sollen mehrere hundert Millionen Franken pro Jahr» gespart werden. Die Qualitätstransparenz, die er auf Verordnungsstufe längst durchsetzen müsste, fehlt schlicht. Auch an Massnahmen mangelt es, die es den Kassen ermöglichen, nur noch wirksame, zweckmässige und wirtschaftliche Medizin zu bezahlen. Der bundesrätliche Appell an die «Tarifpartner, Kantone, Pharmaindustrie und die Versicherten» ist gut gemeint, «ihre Verantwortung wahrzunehmen und so zur Dämpfung der Kosten beizutragen». Entscheidend sind wirksame Anreize, Handlungsspielraum für die Anbieter und Transparenz für die Prämienzahler und Patienten.
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 14. September 2018 ein erstes Massnahmenpaket zur Dämpfung des Kostenwachstums im Gesundheitswesen in die Vernehmlassung geschickt. Ein Blick auf die steigenden Gesundheitskosten zeigt, dass weder die Einführung des Krankenversicherungsgesetzes KVG 1996, des Ärztetarifs Tarmed 2004, der neuen Pflegefinanzierung 2011, der neuen Spitalfinanzierung 2012, noch die diversen Medikamentenpreissenkungen diesen Anstieg signifikant und nachhaltig beeinflusst haben. Trotz dieser ernüchternden Bilanz sollte man zur Verhinderung von noch mehr staatlicher Planwirtschaft weiter versuchen, Anreize für mehr Effektivität, Effizienz und Qualität zu setzen. In diesem Sinn gehen die bundesrätlichen Massnahmen zum Teil in die richtige Richtung, zum Teil in die falsche. Und einige fehlen schlicht. Der kumulierte Widerstand aller von den Massnahmen finanziell Betroffenen wird gross sein. Angesichts der stetig steigenden Kosten und Krankenkassenprämien sollte in der gesundheitspolitischen Debatte die Spielregel eingeführt werden, dass eine Massnahme nur ablehnen darf, wer eine bessere Alternative hat.
Die Einheitskasse testen
Ein allgemein formulierter Experimentier-artikel ist in sich ein Widerspruch. Muss man doch für jedes Experiment festlegen, welche Paragraphen für den Test ausser Kraft gesetzt werden sollen. Für einen Test reicht ein schwammig formulierter Experimentierartikel allein nicht. Auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe muss genau definiert werden, was, wie lange getestet und wie der Erfolg gemessen werden soll. Ein spezifischer Experimentierartikel könnte aber zum Beispiel die Basis schaffen, die Einheitskasse in einem Kanton zu testen und mit dem Kassenwettbewerb im Rest der Schweiz zu vergleichen.
Statt Referenzpreissystem WZW durchsetzen Ein Referenzpreissystem könnte sich als kontraproduktiv erweisen, wenn sich Generikahersteller aus der Schweiz zurückziehen. Besser ist die konsequente Anwendung des Grundsatzes der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) bei der Verschreibung von kassenpflichtigen Medikamenten durch Ärzte bzw. bei der Abgabe durch Apotheker. Die konsequente Anwendung von WZW zwingt zur Abgabe des preisgünstigsten Präparats, sprechen keine medizinischen Gründe für ein teureres Produkt mit demselben Wirkstoff.
Weg mit dem Bürokratiemonster Tarmed Es ist löblich, dass sich der Bundesrat Gedanken macht, wie Ärzte, Spitäler und Kassen den Ärztetarif Tarmed ohne bundesrätliche Interventionen revidieren. Eine nationale Tariforganisation, die das Bürokratiemonster Tarmed administriert, ist nicht im Interesse der Prämienzahlenden. Sind die Kassen, Ärzte und Spitäler nicht in der Lage, den Tarmed zu revidieren, sollte der Bundesrat aber den Mut haben, dieses Bürokratiemonster mit einem einfachen und für die Patienten verständlichen Zeittarifsystem sowie Pauschalen zu ersetzen.
Der Ersatz des Tarmeds durch einfache Zeittarife und Pauschalen würde auch die Rech-nungskontrolle durch die Patienten erleich-tern. Nur die Patienten können prüfen, ob die Leistungen auf der Rechnung tatsächlich erbracht worden sind. Und die Versicherer sollen prüfen, ob die erbrachten Leistungen gemäss KVG wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind. Comparis begrüsst das Recht der Kassen, zu viele Spitäler und Heime in einzelnen Kantonen mit Beschwerden zu verhindern. Das ist aber nur die zweitbeste Lösung. Ein Blick auf die geographische Verteilung der Zahnarztpraxen zeigt, dass eine Aufhebung des Vertragszwangs zwischen den Versicherern und medizinischen Leistungserbringern die wirksamere Massnahme wäre als ein Beschwerderecht mehr in der Welt der Planwirtschaft. Zahnmedizinische Leistungen sind in der Regel nicht kassenpflichtig. Die Tarife werden auch nicht von Kantonsregierungen oder vom Bundesrat genehmigt. Das führt dazu, dass Zahnarztpraxen dort sind, wo auch die Nachfrage ist. Arztpraxen sind dort, wo die vom Staat genehmigten Tarife am höchsten sind und wo es am meisten vom Staat zugelassene Spitäler hat. Die Versicherer müssen aber nicht warten, bis die Vertragsfreiheit politisch mehrheitsfähig ist. In den alternativen Versicherungsmodellen (AVM) gilt die Vertragsfreiheit. Und 67 Pro-zent der Versicherten haben ein AVM.
Indikationsqualität
Comparis bedauert, dass der Bundesrat keine Massnahmen in die Vernehmlassung schickt, die auf Verordnungsstufe transparente Qualität der medizinischen Leistungen durchsetzen. Ohne Qualitätstransparenz ist die freie Arzt- und Spitalwahl der Patienten ein Blindflug. Der Bundesrat tut mit dem Massnahmenpaket auch nichts, damit die Kassen Rechnungen strenger nach dem WZW-Grundsatz prüfen können. Weiter wäre es dringend nötig, zur Verhinderung überflüssiger Untersuchungen und Operationen die Indikationsqualität zu verbessern. Der Bundesrat müsste dazu nur die Tarifpartner verpflichten, den Grundsatz in den Tarifverträgen zu verankern, dass jeder Arzt 80 Prozent seiner Leistungen nach den Richtlinien der jeweiligen Fach-gesellschaft erbringt und in 20 Prozent der Fälle Spielraum für medizinisch begründete Ausnahmen hat.
Weitere Informationen: Felix Schneuwly, Krankenkassenexperte comparis.ch/Fachbeirat a|s|p